Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt, in der Fassung von 1988 [*]
Compare-
Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens –
in Anbetracht der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen4 betreffend die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie die Förderung freundschaftlicher Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten,
insbesondere in der Erkenntnis, dass jeder das Recht auf Leben sowie persönliche Freiheit und Sicherheit hat, wie es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vorsehen,
tief besorgt über die weltweite Eskalation terroristischer Handlungen aller Art, die das Leben unschuldiger Menschen gefährden oder vernichten, die Grundfreiheiten beeinträchtigen und eine ernste Verletzung der Menschenwürde darstellen,
in der Erwägung, dass widerrechtliche Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt die Sicherheit von Personen und Sachen gefährden, den Betrieb von Seeschifffahrtsdiensten ernstlich beeinträchtigen und das Vertrauen der Völker der Welt in die Sicherheit der Seeschifffahrt untergraben,
in der Erwägung, dass solche Handlungen der Völkergemeinschaft insgesamt Anlass zu ernster Besorgnis geben,
überzeugt, dass es dringend notwendig ist, eine internationale Zusammenarbeit zwischen den Staaten bei der Ausarbeitung und Annahme wirksamer und durchführbarer Massnahmen zur Verhütung aller widerrechtlichen Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt und zur strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung der Täter zu entwickeln,
eingedenk der Resolution 40/61 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1985, in der unter anderem «alle Staaten nachdrücklich aufgefordert werden, einzeln und in Zusammenarbeit mit anderen Staaten sowie mit den entsprechenden Organen der Vereinten Nationen zur schrittweisen Beseitigung der tieferen Ursachen des internationalen Terrorismus beizutragen und ihre besondere Aufmerksamkeit auf alle Situationen zu richten – unter anderem den Kolonialismus, den Rassismus sowie Situationen, mit denen massive und flagrante Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten einhergehen, und Situationen im Zusammenhang mit fremder Besetzung –, die zu internationalem Terrorismus führen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gefährden können»,
eingedenk ferner dessen, dass die Resolution 40/61 «alle terroristischen Handlungen, Methoden und Praktiken, einschliesslich solcher, die die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten und ihre Sicherheit gefährden, gleich wo und von wem sie begangen werden, unmissverständlich als verbrecherisch verurteilt»,
sowie eingedenk dessen, dass durch die Resolution 40/61 die Internationale Seeschifffahrtsorganisation aufgefordert wurde, «das Problem des an Bord von Schiffen oder gegen Schiffe verübten Terrorismus zu untersuchen, um Empfehlungen über geeignete Massnahmen abzugeben»,
in Anbetracht der Resolution A. 584 (14) der Versammlung der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation vom 20. November 1985, in der zur Ausarbeitung von Massnahmen zur Verhütung widerrechtlicher Handlungen aufgerufen wurde, welche die Sicherheit von Schiffen sowie deren Fahrgästen und Besatzungen bedrohen,
im Hinblick darauf, dass Handlungen der Besatzung, die der üblichen Borddisziplin unterliegen, von diesem Übereinkommen nicht erfasst werden,
in Bekräftigung dessen, dass es wünschenswert ist, die Regeln und Normen zur Verhütung und Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen Schiffe und gegen Menschen an Bord von Schiffen zu überwachen mit dem Ziel, sie nach Bedarf zu aktualisieren, und deshalb die vom Schiffssicherheitsausschuss der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation empfohlenen Massnahmen zur Verhütung widerrechtlicher Handlungen gegen Fahrgäste und Besatzungen an Bord von Schiffen mit Befriedigung zur Kenntnis nehmend
sowie in Bekräftigung des Grundsatzes, dass für Fragen, die in diesem Übereinkommen nicht geregelt sind, weiterhin die Regeln und Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts gelten,
in der Erkenntnis, dass alle Staaten bei der Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt die Regeln und Grundsätze des allgemeinen, Völkerrechts streng einhalten müssen – sind wie folgt übereingekommen:
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Artikel 1
Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet «Schiff» ein nicht dauerhaft am Meeresboden befestigtes Wasserfahrzeug jeder Art, einschliesslich Fahrzeuge mit dynamischem Auftrieb, Unterwassergerät und anderes schwimmendes Gerät.
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Artikel 2
1. Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung auf
a) Kriegsschiffe oder
b) einem Staat gehörende oder von ihm eingesetzte Schiffe, wenn sie als Flottenhilfsschiffe oder für Zoll oder Polizeizwecke benutzt werden, oder
c) Schiffe, die aus dem Verkehr gezogen oder aufgelegt sind.
2. Dieses Übereinkommen lässt die Immunitäten der Kriegsschiffe und der sonstigen Staatsschiffe, die anderen als Handelszwecken dienen, unberührt.
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Artikel 3
1. Eine Straftat begeht, wer widerrechtlich und vorsätzlich
a) durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung ein Schiff in Besitz nimmt oder die Herrschaft darüber aus- übt oder
b) eine gewalttätige Handlung gegen eine Person an Bord eines Schiffes verübt, wenn diese Handlung geeignet ist, die sichere Führung des Schiffes zu gefährden, oder
c) ein Schiff zerstört oder einem Schiff oder seiner Ladung eine Beschädigung zufügt, die geeignet ist, die sichere Führung des Schiffes zu gefährden, oder
d) in ein Schiff auf welche Art auch immer eine Vorrichtung oder eine andere Sache bringt oder bringen lässt, die geeignet ist, dieses Schiff zu zerstören oder dem Schiff oder seiner Ladung eine Beschädigung zuzufügen, welche die sichere Führung des Schiffes gefährdet oder zu gefährden geeignet ist, oder
e) Seenavigationseinrichtungen zerstört oder ernstlich beschädigt oder ihren Betrieb ernstlich beeinträchtigt, wenn eine solche Handlung geeignet ist, die sichere Führung eines Schiffes zu gefährden, oder
f) wissentlich unrichtige Angaben macht und dadurch die sichere Führung eines Schiffes gefährdet oder
g) im Zusammenhang mit der Begehung oder der versuchten Begehung einer der unter den Buchstaben a bis f genannten Straftaten eine Person verletzt oder tötet.
2. Eine Straftat begeht auch, wer
a) eine der in Absatz 1 genannten Straftaten zu begehen versucht oder
b) eine Person zur Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten anstiftet, sofern die Straftat tatsächlich begangen wird, oder sich sonst an der Begehung einer solchen Straftat beteiligt oder
c) droht, eine der in Absatz 1 Buchstaben b, c und e genannten Straftaten zu begehen, sofern diese Drohung geeignet ist, die sichere Führung des betreffenden Schiffes zu gefährden, gleichviel ob die Drohung nach innerstaatlichem Recht mit einer Bedingung verknüpft ist, die darauf abzielt, eine natürliche oder juristische Person zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen.
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Artikel 4
1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung, wenn das Schiff in Gewässer einfährt, Gewässer durchfährt oder aus Gewässern kommt, die jenseits der seewärtigen Grenze des Küstenmeers eines einzelnen Staates oder jenseits der seitlichen Grenzen seines Küstenmeers zu angrenzenden Staaten liegen, oder wenn der Fahrplan des Schiffes dies vorsieht.
2. In Fällen, in denen dieses Übereinkommen nicht nach Absatz 1 Anwendung findet, ist es dennoch anzuwenden, wenn der Täter oder der Verdächtige im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats als des in Absatz 1 bezeichneten Staates aufgefunden wird.
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Artikel 5
Jeder Vertragsstaat bedroht die in Artikel 3 genannten Straftaten mit angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat berücksichtigen.
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Artikel 6
1. Jeder Vertragsstaat trifft die notwendigen Massnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die in Artikel 3 genannten Straftaten zu begründen, wenn die Straftat begangen wird
a) gegen ein Schiff, das zur Zeit der Begehung der Straftat die Flagge dieses Staates führt, oder an Bord eines solchen Schiffes oder
b) im Hoheitsgebiet dieses Staates einschliesslich seines Küstenmeers oder
c) von einem Angehörigen dieses Staates.
2. Ein Vertragsstaat kann seine Gerichtsbarkeit über eine solche Straftat auch begründen,
a) wenn sie von einem Staatenlosen begangen wird, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hat, oder
b) wenn bei ihrer Begehung ein Angehöriger dieses Staates festgehalten, bedroht, verletzt oder getötet wird oder
c) wenn sie mit dem Ziel begangen wird, diesen Staat zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen.
3. Jeder Vertragsstaat, der seine Gerichtsbarkeit nach Absatz 2 begründet hat, notifiziert dies dem Generalsekretär der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (im folgenden als «Generalsekretär» bezeichnet). Hebt der Vertragsstaat diese Gerichtsbarkeit später wieder auf, so notifiziert er dies dem Generalsekretär.
4. Jeder Vertragsstaat trifft die notwendigen Massnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die in Artikel 3 genannten Straftaten für den Fall zu begründen, dass der Verdächtige sich in seinem Hoheitsgebiet befindet und er ihn nicht an einen der Vertragsstaaten ausliefert, die in Übereinstimmung mit den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels ihre Gerichtsbarkeit begründet haben.
5. Dieses Übereinkommen schliesst eine Strafgerichtsbarkeit, die nach innerstaatlichem Recht ausgeübt wird, nicht aus.
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Artikel 7
1. Hält der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Täter oder der Verdächtige befindet, es in Anbetracht der Umstände für gerechtfertigt, so nimmt er ihn nach seinem Recht in Haft oder trifft andere Massnahmen, um seine Anwesenheit für die Zeit sicherzustellen, die zur Einleitung eines Straf- oder Auslieferungsverfahrens benötigt wird.
2. Dieser Staat führt nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften umgehend eine vorläufige Untersuchung zur Feststellung des Sachverhalts durch.
3. Jeder, gegen den die in Absatz 1 bezeichneten Massnahmen getroffen werden, ist berechtigt,
a) unverzüglich mit dem nächsten zuständigen Vertreter des Staates, dessen Angehöriger er ist oder der anderweitig zur Herstellung einer solchen Verbindung berechtigt ist, oder, wenn der Betreffende staatenlos ist, des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in Verbindung zu treten;
b) den Besuch eines Vertreters dieses Staates zu empfangen.
4. Die in Absatz 3 bezeichneten Rechte werden in Übereinstimmung mit den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des Staates ausgeübt, in dessen Hoheitsgebiet sich der Täter oder der Verdächtige befindet, wobei jedoch diese Gesetze und sonstigen Vorschriften die volle Verwirklichung der Zwecke gestatten müssen, für welche die Rechte nach Absatz 3 gewährt werden.
5. Hat ein Vertragsstaat eine Person aufgrund dieses Artikels in Haft genommen, so zeigt er unverzüglich den Staaten, die in Übereinstimmung mit Artikel 6 Absatz 1 ihre Gerichtsbarkeit begründet haben, sowie, wenn er es für angebracht hält, jedem anderen interessierten Staat die Tatsache, dass diese Person in Haft ist, und die Umstände an, welche die Haft rechtfertigen. Der Staat, der die vorläufige Untersuchung nach Absatz 2 durchführt, unterrichtet die genannten Staaten unverzüglich über das Ergebnis der Untersuchung und teilt ihnen mit, ob er seine Gerichtsbarkeit auszuüben beabsichtigt.
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Artikel 8
1. Der Kapitän eines Schiffes eines Vertragsstaats («Flaggenstaat») kann den Behörden eines anderen Vertragsstaats («Empfangsstaat») jede Person übergeben, bei der er begründeten Anlass zu der Annahme hat, dass sie eine der in Artikel 3 genannten Straftaten begangen hat.
2. Der Flaggenstaat stellt sicher, dass der Kapitän seines Schiffes, wenn er eine Person an Bord mitführt, die er in Übereinstimmung mit Absatz 1 zu übergeben beabsichtigt, verpflichtet ist, die Behörden des Empfangsstaats sofern praktisch durchführbar, nach Möglichkeit vor Einlaufen in das Küstenmeer des Empfangsstaats, von dieser Absicht sowie den Gründen dafür zu unterrichten.
3. Der Empfangsstaat übernimmt die Person, sofern er nicht Gründe zu der Annahme hat, dass das Übereinkommen auf die Handlungen, die zu der Übergabe Anlass geben, nicht anwendbar ist, und verfährt in Übereinstimmung mit Artikel 7. Die Ablehnung der Übernahme ist mit einer Darstellung der Gründe zu versehen.
4. Der Flaggenstaat stellt sicher, dass der Kapitän seines Schiffes verpflichtet ist, das in seinem Besitz befindliche Beweismaterial, das sich auf die angebliche Straftat bezieht, den Behörden des Empfangsstaats zur Verfügung zu stellen.
5. Ein Empfangsstaat, der eine Person in Übereinstimmung mit Absatz 3 übernommen hat, kann seinerseits den Flaggenstaat ersuchen, die betreffende Person zu übernehmen. Der Flaggenstaat prüft ein solches Ersuchen und verfährt, wenn er ihm stattgibt, in Übereinstimmung mit Artikel 7. Lehnt der Flaggenstaat ein Ersuchen ab, so übermittelt er dem Empfangsstaat eine Darstellung der Gründe dafür.
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Artikel 9
Dieses Übereinkommen lässt die Regeln des Völkerrechts über die Zuständigkeit von Staaten für Untersuchungs- oder Durchsetzungsmassnahmen an Bord von Schiffen, die nicht ihre Flagge führen, unberührt.
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Artikel 10
1. Der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Täter oder der Verdächtige aufgefunden wird, ist in Fällen, auf die Artikel 6 Anwendung findet, wenn er ihn nicht ausliefert, verpflichtet, den Fall unverzüglich ohne irgendeine Ausnahme und unabhängig davon, ob die Tat in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, seinen zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung in einem Verfahren nach seinem Recht zu unterbreiten. Diese Behörden treffen ihre Entscheidung in der gleichen Weise wie im Fall einer anderen Straftat schwerer Art nach dem Recht dieses Staates.
2. Jedem, gegen den ein Verfahren wegen einer der in Artikel 3 genannten Straftaten durchgeführt wird, ist während des gesamten Verfahrens eine gerechte Behandlung zu gewährleisten, die den Genuss aller Rechte und Garantien einschliesst, die das Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet er sich befindet, für das Verfahren vorsieht.
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Artikel 11
1. Die in Artikel 3 genannten Straftaten gelten als in jeden zwischen Vertragsstaaten bestehenden Auslieferungsvertrag einbezogene, der Auslieferung unterliegende Straftaten. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, diese Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten in jeden künftig zwischen ihnen zu schliessenden Auslieferungsvertrag aufzunehmen.
2. Erhält ein Vertragsstaat, der die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht, ein Auslieferungsersuchen von einem anderen Vertragsstaat, mit dem er keinen Auslieferungsvertrag hat, so steht es dem ersuchten Staat frei, dieses Übereinkommen als Rechtsgrundlage für die Auslieferung in Bezug auf die in Artikel 3 genannten Straftaten anzusehen. Die Auslieferung unterliegt im Übrigen den im Recht des ersuchten Vertragsstaats vorgesehenen Bedingungen.
3. Vertragsstaaten, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, erkennen unter sich die in Artikel 3 genannten Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten vorbehaltlich der im Recht des ersuchten Staates vorgesehenen Bedingungen an.
4. Falls erforderlich, werden die in Artikel 3 genannten Straftaten für die Zwecke der Auslieferung zwischen Vertragsstaaten so behandelt, als seien sie nicht nur an dem Ort, an dem sie sich ereignet haben, sondern auch an einem der Hoheitsgewalt des Vertragsstaats, der um Auslieferung ersucht, unterstehenden Ort begangen worden.
5. Ein Vertragsstaat, der mehrere Auslieferungsersuchen von Staaten erhält, die in Übereinstimmung mit Artikel 6 ihre Gerichtsbarkeit begründet haben, und der beschliesst, keine strafrechtliche Verfolgung durchzuführen, berücksichtigt bei der Auswahl des Staates, an den der Täter oder der Verdächtige ausgeliefert werden soll, gebührend die Interessen und Verantwortlichkeiten des Vertragsstaats, dessen Flagge das Schiff zu der Zeit führte, als die Straftat begangen wurde.
6. Bei der Prüfung eines Ersuchens um Auslieferung eines Verdächtigen nach diesem Übereinkommen berücksichtigt der ersuchte Staat gebührend, ob die in Artikel 7 Absatz 3 genannten Rechte des Verdächtigen in dem ersuchenden Staat wahrgenommen werden können.
7. Hinsichtlich der Straftaten im Sinne dieses Übereinkommens werden die Bestimmungen aller zwischen den Vertragsstaaten anwendbaren Auslieferungsverträge und -übereinkommen im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten geändert, soweit sie mit dem vorliegenden Übereinkommen unvereinbar sind.
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Artikel 12
1. Die Vertragsstaaten gewähren einander die weitestgehende Hilfe im Zusammenhang mit Verfahren, die in Bezug auf die in Artikel 3 genannten Straftaten eingeleitet werden, einschliesslich der Hilfe bei der Beschaffung der ihnen zur Verfügung stehenden und für das Verfahren erforderlichen Beweismittel.
2. Die Vertragsstaaten erfüllen ihre Verpflichtungen nach Absatz 1 im Einklang mit den zwischen ihnen bestehenden Verträgen über die gegenseitige Rechtshilfe. In Ermangelung solcher Verträge gewähren die Vertragsstaaten einander Rechtshilfe nach ihrem innerstaatlichen Recht.
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Artikel 13
1. Die Vertragsstaaten arbeiten bei der Verhütung der in Artikel 3 genannten Straftaten zusammen, indem sie insbesondere
a) alle durchführbaren Massnahmen treffen, um Vorbereitungen in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten für die Begehung dieser Straftaten innerhalb oder ausserhalb ihrer Hoheitsgebiete zu verhindern;
b) nach ihrem innerstaatlichen Recht Informationen austauschen sowie die getroffenen Verwaltungs- und anderen Massnahmen, soweit geeignet, miteinander abstimmen, um die Begehung der in Artikel 3 genannten Straftaten zu verhindern.
2. Ist wegen der Begehung einer in Artikel 3 genannten Straftat die Fahrt eines Schiffes verzögert oder unterbrochen worden, so ist jeder Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich das Schiff, die Fahrgäste oder die Besatzung befinden, verpflichtet, alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um zu vermeiden, dass ein Schiff, seine Fahrgäste, seine Besatzung oder seine Ladung ungebührlich lange zurückgehalten oder aufgehalten werden.
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Artikel 14
Jeder Vertragsstaat, der Grund zu der Annahme hat, dass eine in Artikel 3 genannte Straftat begangen werden wird, übermittelt nach seinem innerstaatlichen Recht so schnell wie möglich alle in seinem Besitz befindlichen sachdienlichen Angaben den Staaten, bei denen es sich nach seiner Auffassung um die Staaten handelt, die in Übereinstimmung mit Artikel 6 ihre Gerichtsbarkeit begründet haben.
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Artikel 15
1. Jeder Vertragsstaat stellt dem Generalsekretär nach seinem innerstaatlichen Recht so schnell wie möglich alle in seinem Besitz befindlichen sachdienlichen Angaben zur Verfügung über
a) die Umstände der Straftat;
b) die nach Artikel 13 Absatz 2 getroffenen Massnahmen;
c) die in Bezug auf den Täter oder den Verdächtigen getroffenen Massnahmen und insbesondere das Ergebnis eines Auslieferungsverfahrens oder eines anderen Verfahrens.
2. Der Vertragsstaat, in dem der Verdächtige strafrechtlich verfolgt wird, teilt nach seinem innerstaatlichen Recht den Ausgang des Verfahrens dem Generalsekretär mit.
3. Der Generalsekretär teilt allen Vertragsstaaten, den Mitgliedern der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (im folgenden als «Organisation» bezeichnet), den anderen betroffenen Staaten und den in Betracht kommenden internationalen zwischenstaatlichen Organisationen die in Übereinstimmung mit den Absätzen 1 und 2 übermittelten Angaben mit.
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Artikel 16
1. Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Staaten einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Parteien binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jede dieser Parteien die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem sie einen seinem Statut5 entsprechenden Antrag stellt.
2. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Übereinkommens oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch einzelne oder alle Bestimmungen des Absatzes 1 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, durch diese Bestimmungen nicht gebunden.
3. Ein Staat, der einen Vorbehalt nach Absatz 2 angebracht hat, kann diesen Vorbehalt jederzeit durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückziehen.
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Artikel 17
1. Dieses Übereinkommen liegt am 10. März 1988 in Rom für die Teilnehmerstaaten der Internationalen Konferenz über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt und vom 14. März 1988 bis zum 9. März 1989 am Sitz der Organisation für alle Staaten zur Unterzeichnung auf. Danach steht es zum Beitritt offen.
2. Die Staaten können ihre Zustimmung, durch dieses Übereinkommen gebunden zu sein, ausdrücken,
a) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder
b) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen oder
c) indem sie ihm beitreten.
3. Die Ratifikation, die Annahme, die Genehmigung oder der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer entsprechenden Urkunde beim Generalsekretär.
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Artikel 18
1. Dieses Übereinkommen tritt 90 Tage nach dem Tag in Kraft, an dem fünfzehn Staaten es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnet oder eine Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben.
2. Für einen Staat, der eine Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde zu diesem Übereinkommen hinterlegt, nachdem die Bedingungen für sein Inkrafttreten erfüllt sind, wird die Ratifikation, die Annahme, die Genehmigung oder der Beitritt 90 Tage nach der Hinterlegung wirksam.
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Artikel 19
1. Dieses Übereinkommen kann von jedem Vertragsstaat jederzeit nach Ablauf eines Jahres nach dem Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens für den betreffenden Staat gekündigt werden.
2. Die Kündigung erfolgt durch Hinterlegung einer Kündigungsurkunde beim Generalsekretär.
3. Eine Kündigung wird ein Jahr oder einen gegebenenfalls in der Kündigungs- urkunde angegebenen längeren Zeitabschnitt nach Eingang der Kündigungsurkunde beim Generalsekretär wirksam.
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Artikel 20
1. Die Organisation kann eine Konferenz zur Revision oder Änderung dieses Übereinkommens einberufen.
2. Der Generalsekretär beruft eine Konferenz der Vertragsstaaten dieses Übereinkommens zur Revision oder Änderung des Übereinkommens ein, wenn ein Drittel der Vertragsstaaten oder zehn Vertragsstaaten, je nachdem, welche Zahl grösser ist, dies verlangen.
3. Jede nach Inkrafttreten einer Änderung dieses Übereinkommens hinterlegte Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde gilt für das Übereinkommen in seiner geänderten Fassung.
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Artikel 21
1. Dieses Übereinkommen wird beim Generalsekretär hinterlegt.
2. Der Generalsekretär
a) unterrichtet alle Staaten, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, sowie alle Mitglieder der Organisation über
i) jede neue Unterzeichnung oder Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde sowie den jeweiligen Zeitpunkt,
ii) den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens,
iii) die Hinterlegung jeder Kündigungsurkunde zu diesem Übereinkommen sowie den Zeitpunkt, zu dem sie eingegangen ist, und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird,
iv) den Eingang jeder Erklärung oder Notifikation nach diesem Übereinkommen;
b) übermittelt allen Staaten, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, beglaubigte Abschriften des Übereinkommens.
3. Sogleich nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens übermittelt der Depositar dem Generalsekretär der Vereinten Nationen eine beglaubigte Abschrift zur Registrierung und Veröffentlichung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen.
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Artikel 22
Dieses Übereinkommen ist in einer Urschrift in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.
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Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen zu Rom am 10. März 1988.
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[*] Siehe auch das Protokoll von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt, angenommen am 14. Oktober 2005, in Kraft getreten am 28. Juli 2010.